Forschen an der Schnittstelle zwischen Labor und Klinik

Herr Professor Bubnoff und Herr Professor Zeiser, herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Krebspreis 2021. Wie würden Sie Ihren Nachbarn Ihren Forschungsschwerpunkt beschreiben?

von Bubnoff: Unser Forschungsschwerpunkt ist die Behandlung von Blutkrebs, auch Leukämie genannt, durch die Übertragung von Knochenmark oder Blutstammzellen von einem Familienspender oder Fremdspender. Man spricht dabei auch von einer sogenannten Stammzelltransplantation. Für viele Menschen mit Blutkrebs bietet diese Therapie die einzige Chance auf Heilung. Denn sie bringt ein neues Immunsystem in den Körper der Betroffenen und ist dadurch wirksamer als eine Chemotherapie.

Zeiser: Dabei erkennt dieses neue Immunsystem nicht nur die Leukämiezellen des Patienten als fremd, sondern manchmal auch bestimmte Organe. Diese Organe werden dann vom Immunsystem angegriffen und entzünden sich. Unsere Forschung konzentriert sich darauf, wie man die gewünschte Wirkung der Transplantation gegen die Leukämie erhält, aber gleichzeitig die Entzündung der Organe durch das Spender-Immunsystem abschwächt.

Wie gefährlich ist dieser Effekt und wie häufig kommt er vor?

von Bubnoff: Diese Immunreaktion des Spenders auf die Stammzelltransplantation, die Prof. Zeiser gerade beschrieben hat, nennt man auch Graft-versus-Host-Erkrankung, abgekürzt GvHD. Sie kann lebensgefährlich verlaufen und tritt bei Patient*innen nach einer allogenen Blutstammzelltransplantation sehr häufig auf. Das heißt, in etwa der Hälfte der Fälle erkennen die Spender-T-Zellen das Darm-, Haut- und Lebergewebe des Empfängers als fremd und greifen es an.

Wie können Betroffene von ihrer Forschung profitieren?

Zeiser: Nur etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit GvHD spricht auf verfügbare Therapien an. In unserer gemeinsamen Forschungsarbeit konnten unsere beiden Gruppen zeigen, dass Ruxolitinib, ein Medikament aus der Familie der Januskinase-Inhibitoren, in der Lage ist, die entzündlichen Botenstoffe zu hemmen, die bei einer GvHD auftreten. Klinische Studien, an denen viele Kolleg*innen weltweit beteiligt waren, belegten die Wirksamkeit dieser neuartigen Therapie der GvHD. Das Medikament ist mittlerweile für die Behandlung der GvHD zugelassen, so dass diesen Patient*innen jetzt eine wirksame Behandlungsoption zur Verfügung steht.

Was motiviert Sie, neben der Versorgung von Patient*innen zugleich Forschungsprojekte anzustoßen?

von Bubnoff: Wir bringen beide ein großes Interesse mit, eine Erkrankung vom Mechanismus her zu verstehen, um eine optimale Behandlung zu erzielen. Oft erfassen wir bei der Untersuchung der Krebszellen Eigenschaften, die auf das Ansprechen auf eine zielgerichtete Therapie hinweisen oder aber die Unempfindlichkeit gegenüber etablierten Therapien erklären. Die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Forschung und Versorgung schärft den Blick auf solche möglichen Zusammenhänge sehr.

Zeiser: Genau. Wenn wir so einen Zusammenhang vermuten, dann versuchen wir, ihn im Reagenzglas nachzustellen, um neuartige Therapien zu erproben. Im nächsten Schritt geht es dann darum, die dabei gewonnenen Erkenntnisse wieder zurück in die klinische Versorgung zu bringen, um die Behandlungen weiter zu verbessern.