"Mit einem Entscheidungscoaching treffen Betroffene früher und häufiger klare Entscheidungen."
Professorin Stock ‒ herzlichen Glückwunsch zum Sonderpreis im Rahmen des Deutschen Krebspreises 2024! Wie würden Sie Ihren Nachbarn Ihren Forschungsschwerpunkt beschreiben?
Patientenzentrierte Versorgung stellt Patientinnen und Patienten als einzigartige Individuen mit ihren Werten, Präferenzen, Bedürfnissen und Ressourcen in den Mittelpunkt jeder Behandlungs- bzw. Präventionsentscheidung. Das bedeutet: aktive Einbindung in die Entscheidungsfindung sowie Unterstützung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung auf dem Boden der besten verfügbaren wissenschaftlich gesicherten und laienverständlichen Informationen und unter Berücksichtigung der individuellen Präferenzen und Wertvorstellungen. Meine Arbeit trägt dazu bei, die gemeinsame Entscheidungsfindung, die so wichtig für die patientenzentrierte Versorgung ist, weiter zu verbessern.
Welches Ihrer Forschungsergebnisse hat Sie selbst besonders überrascht oder beeindruckt?
Mit einer Studie zu Entscheidungsfindungsprozessen in Bezug auf Krebsbehandlung bzw. -prävention haben wir geplant, Frauen darin zu unterstützen, die von ihnen zu Beginn gewünschte Rolle tatsächlich einzunehmen. Das bedeutete auch, Frauen, die eine aktive Rolle wünschten, darin zu stärken, dies auch zu tun. Wir hatten nicht erwartet, dass von den Frauen, die zum Studienstart weniger aktiv am Entscheidungsfindungsprozess teilnehmen wollten, eine nicht unbedeutende Anzahl durch unser Entscheidungscoaching während des Entscheidungsfindungsprozesses in eine aktive Rolle gewechselt sind. Diese überdurchschnittliche Aktivierung durch das Entscheidungscoaching ist ein großer und wichtiger Schritt in Richtung aktive Patientinnenpartizipation. Das Ergebnis zeigt, dass es durch das Entscheidungscoaching gelungen ist, auch Frauen, die vor der Studie eher zurückhaltend in Bezug auf eine aktive Rolle in der Entscheidungsfindung waren, dazu zu motivieren, sich dabei aktiv einzubringen. Dieses Ergebnis hat unsere Erwartungen übertroffen und freut uns sehr.
Wie können Betroffene von ihrer Forschung profitieren?
Hier möchte ich die Betroffenen mit Kurzzitaten selbst zu Wort kommen lassen:
- Das Coaching gab mir die Möglichkeit, für mich wichtigen Fragen in Ruhe an Expert*innen zu stellen.
- Im Coaching konnte ich zusätzliche, wissenschaftlich gesicherte Informationen erhalten und meine eigenen Vorstellungen und Überzeugungen mit Expert*innen hinterfragen. Das hat mir Sicherheit gegeben und mir die Angst genommen.
- Ich habe es als entlastend wahrgenommen, mit einer dritten Person, die weder Partner*in, Freund*in oder Angehörige ist, über meine Fragen zu sprechen.
- Das Coaching hat ein Bewusstsein und eine realistische Einschätzung für Nutzen und Risiken der verschiedenen Präventionsoptionen geschaffen („Mir wurde erst durch das Coaching bewusst, was eine Operation eigentlich bedeutet“).
Die Betroffenen schätzen die Möglichkeit, wissenschaftlich gesicherte Informationen von Fachleuten zu erhalten, Fragen in einem geschützten Raum stellen zu können, die eigenen Vorstellungen hinterfragen und mit unbeteiligten Dritten ohne Druck sprechen zu können. Übereinstimmend berichten die Frauen, dass das Coaching ihnen Sicherheit gibt, Angst nimmt und ihnen hilft, den Nutzen und die Risiken der angebotenen Präventionsmaßnahmen realistisch einzuschätzen. Dies zeigt sich darin, dass Frauen, die am Coaching teilgenommen haben, früher und häufiger zu einer klaren Entscheidung kommen und einen niedrigeren Entscheidungskonflikt aufweisen.
Was ist Ihr nächstes Forschungsziel?
Mein Anliegen ist es, neue Wege zu finden, wie wir Betroffene zukünftig noch zielgenauer unterstützen können.